Montag, 15. Oktober 2007
39.-45. Tag (Montag, 1.10.-Sonntag, 7.10.)
Geht das nur mir so oder wird das Tagezählen langsam etwas enervierend? Vielleicht sollte ich stattdessen Wochen zählen. Ich werde eine Umfrage starten!

In welche verdaulichen Untereinheiten soll Vera in Zukunft ihr im Ganzen zu unvorstellbar und unerfassbar großes Abenteuer gliedern?
Weiterhin nach der Anzahl der in der türkischen Republik verlebten Tage (wird langsam anstrengend und unübersichtlich).
Nach Wochen (ist zahlenmäßig nicht so beeindruckend).
Es ist mir vollkommen gleichgültig.

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Erstellt von verazimmermann84 am 2007.10.15, 17:35.



Allerdings solltet ihr berücksichtigen, dass eure Stimme nicht wirklich irgendeinen Einfluss hat. Schließlich bin hier immer noch ich die Bestimmerin!

Ist euch allerdings aufgefallen, dass ich hier ein verdammt noch mal postmodernes Weblog verfasse? Nämlich kommentiere ich den Prozess seiner Entstehung, mein Text hat somit "Selbstbewusstsein", was, wie ich gerade fleißig lerne, eines der Hauptmerkmale postmoderner Literatur ist.

Bleibt nur noch die Frage, ob ein Online-Tagebuch unter "Literatur" fällt... Andererseits ist der Autor sowieso tot, der Leser aber scheinbar im Geburtskanal stecken geblieben, um mal eine intertextuelle Referenz einzuflechten. Und da ich ja möchte, dass ihr mich versteht - anders als diese ganzen postmodernen Schweineschriftsteller - sag ich euch auch, wo ihr das bei Interesse nachlesen könnt (schade sowieso, dass es hier keine Fußnoten gibt): John Barth. The Literature of Exhaustion. The Atlantic 220.2 (August 1967): 29-34.

Montag

Um meinen universitären Horizont zu erweitern, begleitete ich Indie heute zu ihrer Elite-Uni "Bilkent". Laut ihren Angaben studieren dort hauptsächlich privilegierte (will sagen: reiche) Türken und jede Menge Amerikaner, was die Atmosphäre wohl etwas...exklusiv macht, um mal einen mehrdeutigen Euphemismus zu gebrauchen. Wobei ich mich nicht über die "City of Science and Knowledge" (murrharrharr) lustig machen sollte, schließlich komme ich dank des Geldes der privilegierten Studtenen in den Genuss einer tatsächlich besser ausgestatteten Universitätsbibliothek. Wobei ich sagen muss, dass der Architekt nicht unbedingt wert auf leichte Zugänglichkeit und vor allem Auffindbarkeit aller Bereiche gelegt hat.

Hier ein kleines landeskundliches Detail: Kopieren darf man in türkischen Unis grundsätzlich nicht selber. Dafür gibt es an jedem Kopierer Servicepersonal. Das schafft und erhält Arbeitsplätze und ist gut für die Wirtschaft!

Mit unseren Kopien durchsuchten wir Ankara nach einem lauschigen grasbedeckten und baumbestandenen Plätzchen, das wir nach mehreren Enttäuschungen (grüne Flächen im Stadtplan müssen nicht unbedingt auf grüne Wiesen in der Realität deuten) im Kore Bahçesi fanden, einem Koreakriegsdenkmal. Hier ließ es sich ganz wunderbar "Warten auf Godot" lesen und über die Eigenheiten des absurden Theaters sinnieren.

Dienstag

Türkische Bürokratie par excellence erlebte ich an diesem Vormittag auf der Polizeistation, in der ich als Ausländerin meine Aufenthaltsgenehmigung beantragen musste. Lustig daran war, dass man sich erst seine eigene rosa Mappe kaufen muss, bevor man seine ganzen Formulare abgeben. Assoziationen zu gewissen Asterix-Filmen ergaben sich da unwillkürlich, obwohl wir keinen Passierschein A38 brauchten und auch kein rosa Formular, aber immerhin eine rosa Mappe und viele weiße mit lustigen Fragen (What's your mother's profession?) bedeckte Formulare. Nach nur zwei Stunden hatten wir es jedoch überstanden und konnten endlich zum Campus und in die Mensa. Und weil ich das noch nicht getan hab, muss ich euch unbedingt zeigen, wie ein Mensaessen hier so aussieht:

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Wie im Knast, oder? Ich find's geil..

Nach meinem Seminar versuchte ich gemeinsam mit Gökçe, einer Kommilitonin, mein Glück als Hitchhikerin. Doch niemand wollte anhalten. Lag es an mir? Später nahmen wir dann doch ein Dolmuş.. Frustrierend!

Da ich eingeladen wurde, schlug ich nicht aus und besuchte Gökçe in ihrer Wohnung, die verkehrsgünstig direkt an der Vergnügungsmeile Ankaras liegt. Dort lernte ich ihren Mitbewohner kennen, dessen Namen mir zwar entfiel, dessen sexuelle Orientierung mir jedoch umso mehr ins Auge sprang. "I'm gay, by the way" war so ungefähr das zweite, was er zu mir sagte. Er möchte übrigens Opernsänger werden und er will, dass ich ihn mit dem Research Assistant unseres Departments verkuppele...Lustig war's!

Um 10 traf ich mich noch mit Hannes und Indie auf ein verdientes Feierabendbier. Aus dem einen wurden zwei und da Bier eine tolle Sache ist, war es ein toller Abend.

Mittwoch und Donnerstag

waren langweilig.

Freitag

Angesichts meines näherrückenden Geburtstages reiste heute unsere liebe Freundin Sandra (formerly known as "Die Lettin") aus Izmir an. Bei Tee und Okey hatten wir einen lustigen und unspektakulären Abend.

Samstag

Die Vorbereitungen verdichteten sich. Bier musste gekauft, Essen zubereitet werden. Hier ein kleiner Eindruck:

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Aus diesem Teig (nennt sich Yufka; macht man auch Baklava draus)...

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...schneidet man solche Dreiecke und füllt sie mit weißem Käse und Kräutern...

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...dann rollt man alles zu einem dekorativen Röllchen..

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...was dann am Ende, nach dem Braten, ganz furchtbar appetitlich aussieht und unfassbar lecker schmeckt! Danke Indie!

Bloß schade, dass ich so wenig davon abbekommen hab. Gefräßiges Partypack!

Die Party jedenfalls war eine sehr lustige solche und unser kleines Wohnungchen war voll mit Menschen, Bier und guter Laune. Besonders Tayfun blühte regelrecht auf, mobilisierte all seine Englischkenntnisse und schmiss sich auf jedes Foto. Hier einige Impressionen:

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Naturgegebenermaßen fand die Party um 12 ihren Höhepunkt, als nämlich die anwesenden türkischen und internationalen Studenten mir in nahezu allen vertretenen Sprachen (türkisch, deutsch, englisch, französisch, polnisch; bloß maltesisch hat gefehlt) ein Geburtstagslied sangen. Und einen Kuchen mit 23 Kerzen hab ich auch bekommen:

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Könnt ihr gerne nachzählen!

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Hier packe ich Sandras Geschenk (u.a. Backförmchen, die uns angesichts unseres fehlenden Backofens nicht viel bringen...) aus und zerstöre dabei relativ rücksichtslos das Disney-Geschenkpapier.
Außerdem glänze ich so schön!

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Ein Geschenk, das mir sehr viel Freude bereitete - Socken, die mir Hannes auf dem Weg von der U-Bahn-Station zur Wohnung noch schnell gekauft hatte...

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Obwohl sie ja farblich nicht so richtig zu meinem T-Shirt passen wollen...

Gegen 3 oder 4 Uhr lief die Party so langsam ins Leere. Als jemand versuchte, ein ernsthaftes Gespräch anzufangen, warf ich ihn hinaus. Damit war die Party vorbei, Vera war 23 geworden und alle waren glücklich und zufrieden!

Sonntag

Erstaunlich kopfschmerzlos beseitigten wir gegen 12 die Spuren der vorausgegangenen Exzesse. Gestärkt mit Pide und Ayran fuhren wir mit Sandra zum Mausoleum und wieder hatte ich dort eine Menge nationalistischen Spaß.

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Zum Beispiel mit diesem Marineoffizier hier.

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Nach dem Verzehr eines leckeren Eises (hier unten links im Bild)...

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...wurde versucht, mir Backgammon, hier als Tavla bekannt, beizubringen. Der Erfolg war mäßig.

Abends zauberten uns Indie und Sandra Tortilla und Sangria (respektive). Nach dem Verzehr dieser spanischen Köstlichkeiten verbrachte ich den Rest des Abends damit, mich an meinen Geburtstagsglückwünschen zu erfreuen. Was für ein Spaß es doch ist, Geburtstag zu haben!

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