Montag, 3. Dezember 2007
84.-90. Tag (Montag, 12. - Sonntag, 18. November)
Samstag

Kommen wir gleich zum Highlight der Woche: Der vom International Student's Office organisierte und für uns kostenneutrale Ausflug nach Polatllı. Wem das jetzt nichts sagt: Macht nix, mir sagte es nichts und das tut es auch jetzt nicht unbedingt. Jedenfalls gehört die Polatlı Belediyesi (also die Verwaltungseinheit Polatlı) stadtrechtlich noch zu Ankara und liegt etwa eine Busstunde nordwestlich von selbigem.

1. Teil: Atatürk-Gedächtnis-Trip

Unser erster Stopp war bei einem...nun ja, Haus, in dem Atatürk während des Unabhängigkeitskrieges mal für ein paar Wochen...nun ja, gewohnt hat. Genauso spannend, wie es sich anhört, gestaltete sich auch die Besichtigung. Zu sehen war Atatürks Bett, sein Schreibtisch, sein Morseapparat, sein Esszimmer, sein Wohnzimmer und ja - auch sein Klo. Das sah so aus:

Photo Sharing and Video Hosting at Photobucket
Zu schade, dass sie den Deckel drauf gemacht haben. Wie gern hätte ich dort gepinkelt, wo auch Atatürk...aber lassen wir das.

Ein schönes Foto gibt es noch von Atatürks orientalischer Ecke:

Photo Sharing and Video Hosting at Photobucket

Mit vielen neuen Eindrücken ging es weiter zum nächsten "Vater der Türken"-Highlight. Diesmal handelte es sich um eine Gedenkstätte, die uns von dem freundlichen Soldaten (links) auf Türkisch erklärt wurde, was von Pelin (rechts) gedolmetscht wurde:

Photo Sharing and Video Hosting at Photobucket
Über diese Aufgabe war sie genauso glücklich, wie sie hier aussieht.

Das Denkmal bestand laut unserem Touri-Soldaten aus drei Teilen: einem hässlichen Soldatenstandbild, einem Museum mit "3D-Bildern" (ich kenne sowas ja als "Relief") von Unabhängigkeitskriegsschlachtszenen (türkische Oma hilft beim Kanonennachschub etc.) und einer Treppe, die den Hügel hinunterführt. Rechts und links der Treppe stehen weiße Betonpfeiler, die immer höher werden, je weiter oben man sich befindet.

Photo Sharing and Video Hosting at Photobucket
Dies zur Illustration.

Wiewohl sich die symbolische Bedeutung des Ganzen eigentlich nur demjenigen erschließt, der die Treppe hinaufsteigt, blieb uns das erspart. So konnten wir allerdings nicht miterleben, wie wir uns aus unzivilisierten osmanischen Tagen aufgeschwungen hätten in die Höhen der türkischen Zivilisation und haben auch nicht die Anstrengung des Treppensteigens symbolisch mit dem Ausfechten eines Unabhängigkeitskampfes in Verbindung gebracht. SCHADE! Doch gelang es mir, dieses wunderbare Ensemble einzufangen:

Photo Sharing and Video Hosting at Photobucket

Und weiter ging es zum nächsten Hügel, diesmal einem mit erhöhter symbolischer Bedeutung. Denn die Angreifer hatten es geschafft, die Türken bis hierher zurückzudrängen. Doch genau dort, wo nun ein phantasialendesker Plastikatatürk steht, gelang es den türkischen Truppen, das Blatt zu wenden und zurückzuschlagen.

Photo Sharing and Video Hosting at Photobucket
Ich finde, er und sein Feldmarschall sehen aus, als ob sie hintereinander im Sperrholzbaumstamm einer Wildwasserbahn sitzen und gleich nass werden.

Was ich an den ganzen Hügeln wirklich faszinierend fand, war aber eigentlich die Aussicht. Leider kommt das auf den Fotos nicht so richtig rüber. Und trotzdem:

Photo Sharing and Video Hosting at Photobucket

2. Teil: Wie spricht man wohl "Phrygier" auf Englisch aus?

Nach einem ausgewogenen Mahl (Pide und Ayran) machten wir uns auf zu einem Dorf mit dem klangvollen Namen Yassıhöyük. Hier hatten 1895 zwei deutsche Brüder das antike Gordion wieder entdeckt und ausgegraben. Das war irgendwann vor vieeeeeelen tausend Jahren (Wikipedia sagt: 8. Jh.v.Chr.) mal die Hauptstadt des Phrygerreiches. Weiterhin könnte man König Midas kennen, der Protagonist vieler Mythen und Legenden ist, aber auch eine historische Persönlichkeit war und in dieser Eigenschaft König der Phryger. Meine Lieblings-Midas-Geschichte ist die, wie er sich in irgendeinem Streit mit den Göttern Eselsohren zugezogen hat. Damit die keiner sah, trug er von da an immer eine Mütze und nur sein Barbier kannte das Geheimnis. Natürlich durfte der es niemandem verraten, konnte es aber auch nicht ganz alleine für sich behalten. Also hat er auf einem Feld ein Loch gegraben und drei mal hineingerufen: "König Midas hat Eselsohren!". Unglücklicherweise hat das Gras mitgehört und es den anderen Binsen verraten. Und so erklang bald auf allen Feldern der Satz "König Midas hat Eselsohren", wenn der Wind durch das Gras strich. Deshalb heißt eine allgemein bekannte Tatsache heute "Binsenweisheit".

Ham' 'wer wieder was gelernt!

Wir jedenfalls haben uns das Museum angesehen, in dem es viele zerbrochene Krüge (wie bei Kleist, MURRHARRHARR!) und dergleichen gab. Außerdem gab es jede Menge Hügelgräber (darunter ein begehbares, welches wahrscheinlich das von König Midas ist) und die Original-Ausgrabungsstätten zu besichtigen:

Photo Sharing and Video Hosting at Photobucket

Nachdem wir uns noch den Fluss Sakarya angesehen hatten (der nichts Tolles ist; interessant war die Tatsache, dass es in dieser Einöde überhaupt einen Fluss GIBT), ging die Sonne langsam unter und wir wurden in unseren Bussen zurückgekarrt. Damit uns die Fahrt nicht so langweilig wurde, übte der mitfahrende Vizepräsident des Student Councils in sein Fähigkeiten als Animateur und zwang uns dazu, nach Nationalitäten geordnet die "Bühne" in der Mitte des Busses zu betreten und dort ein Lied zu singen. Meinen deutschen Kommilitonen fiel dabei nichts Besseres ein als "Theo spann den Wagen an", ein Volkslied, mit dem ich noch nie konfrontiert wurde, was mich aber zumindest von der Mitsingpflicht befreite. Später wurde dann wieder Orientpop gespielt, was die anwesenden Türken und Armenier in vollendeter Völkerfreundschaft dazu veranlasste, im Gang und an den Stangen (!) zu tanzen.

Sonntag

An diesem Tag bin ich so mutig gewesen, mir Shakespeare auf Türkisch anzusehen. Ich hätte mir vielleicht denken können, dass ich nichts verstehen würde, besonders da es sich um das doch eher unbekannte Stück "Maß für Maß" handelte. Gegen Ende des ersten Aktes war mir so langweilig, dass ich eingeschlafen bin und in der Pause hab ich mich dann verdrückt. Hat ja doch nichts gebracht. Trotzdem war es schön, das Theater mal zu sehen, denn das war richtig hübsch.

Später am Abend hatte sich Indie einige Bilkentmenschen zum Essen eingeladen. Selbiges war köstlich (Indie hat Käsesauce für die Nudeln gemacht:-)) und die Leute nett. Die von mir eingeladenen Hacettepemenschen hatten sämtlich abgesagt. Das betrübte mich nicht wenig:-(

... comment