Montag, 15. Oktober 2007
46.-52. Tag (Montag, 8.10.-Sonntag, 14.10.)
Montag

Nachdem Indie und ich taschentücherschwenkend unseren Gast am Otogar verabschiedet hatten, erstanden wir ein Busticket nach Bartın am Schwarzen Meer. Und um es vorweg zu nehmen: Solltet ihr jemals versuchen, an einem türkischen Busbahnhof ein Ticket zu kaufen, prägt euch den Unterschied zwischen Çarşamba (Mittwoch) und Perşembe (Donnerstag) ein! Aber dazu später mehr.

Vom Busbahnhof aus haben wir uns dann zum Atakule (hoher Turm hier, eine Art Wahrzeichen) durchgeschlagen, sind aber aufgrund der Tatsache, dass wir unsere Kameras nicht dabei hatten, nicht raufgefahren. Statt dessen holten wir uns bei Burger King ungesunden Burger- und Frittenfraß, den wir uns im nahegelegenen botanischen Garten reinfegten. Ich will nicht sagen, dieses Essen habe den Tag gerettet, aber das Glutamat hat seine wohltuenede Wirkung nicht verfehlt!

Dienstag

Nachdem ich ganz brav zur Uni gegangen war und viel gelernt hatte (*räusper*), kam ich am späten Nachmittag nach Hause. Dort stellten Indie und ich alsbald, jedoch mehr nebenbei fest, dass uns oben beschriebenes Missgeschick passiert war. Nun hatten wir kein Ticket für Donnerstag morgen (was sinnvoll gewesen wäre, weil wir beide Mittwochs noch Uni hatten), sondern für Mittwoch morgen. Für....MORGEN! AAAAAHHHHH! Von sowas hab ich ja normalerweise nur Albträume und dieses Mal passiert es wirklich. Da wir nun keine Ziet mehr dazu hatten, uns noch wie geplant einige Reiseführer auszuleihen und eine Unterkunft zu organisieren, schrieben wir panisch Adressen von Hotels ab und durchsuchten das Internet nach Stadtplänen. Und dann hatte ich einen großartigen und unseren Urlaub nachhaltig beeinflussenden Einfall: Einfach alle Menschen mit Hospitality-Club-Profilen in Amasra und Bartın anschreiben! Das tat ich dann auch, am Ende kontaktierte ich wohl so 8 Menschen. Und siehe da - es dauerte keine Stunde, bis der erste sich auf meinem Handy meldete. Eine weitere Stunde später hatten wir eine Unterkunft bei zwei Navy-Offizieren (!) und Telefonnummern von mindestens drei anderen Menschen. So ganz wohl war uns natürlich nicht.. Welches Interesse motiviert solche bedingungslose Gastfreundschaft? Raub? Mord? Vergewaltigung? Menschenhandel? Organhandel? Hat jemand "Hostel" gesehen?

Mittwoch (a.k.a. Çarşamba)

Bewegt von einem bunten Gefühlsstrauß, zur einen Hälfte aus positiven, zur anderen Hälfte aus negativen Emotionen bezüglich der bevorstehenden Reise bestehend, saßen wir um halb 11 in unserem 20YTL-Bus und fuhren nach Norden. Interessant zu sehen, wie die Wüste langsam einer erst spärlichen, dann immer ausladenderen und schließlich als üppig zu bezeichnenden Vegetation weicht. Noch ein Wort zur Servicekultur in türkischen Überlandbussen: Im 20-Minutentakt bekommt man vom freundlichen Steward etwas angeboten: Wasser, Cola, Tee, Kaffee, Kölnisch Wasser (überhaupt eine wichtige Flüssigkeit hier), ein kleiner Kuchen gar. Erstaunt und begeistert genoss ich die 4-stündige Fahrt.

In Bartın wurden wir wie versprochen von unserem Marineoffizier abgeholt. Und - Überraschung - ich glaube, dass er schwul ist! Und ich bin mit meiner Meinung nicht alleine. *In the NAVY* - Die Village People hatten recht! Leider hab ich kein Foto, auf dem man seine gebrochenen Handgelenke sieht.

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Links ist Serdar, der mit dem schwulen Touch und rechts Kazım, sein Mitbewohner und Navy-Kumpel, gänzlich ohne schwulen Touch. Aber man weiß ja nie...

Jedenfalls nennen die beiden ein direkt (und wenn ich das sage, dann meine ich es auch) am Meer gelegenes Apartment mit freiem Zimmer für Indie und mich ihr eigen. Hier ein Foto von Indie und der Aussicht:

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Die Fenster sind leider recht nutzlos gegen den Wind, denn es sind keine Scheiben drin...

Das Apartment hatte übrigens noch eine dritte Bewohnerin: Buffy, den Hund (besser: die Hündin). Dieses genauso unterwürfige wie unerzogene Tier sieht so aus:

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Und da wir uns ja in einer Soldatenwohnung befanden, fehlte es auch nicht an Atatürkschmuckwerk und diesem tollen Hut:

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Steht mir doch, oder?

An diesem Tag haben wir nicht mehr viel gemacht außer Essen und Teetrinken und später Okey und Kartenspiele spielen. Vom Essen hab ich übrigens mal wieder ein tolles Foto:

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Das nennt sich Amasra-Salat und ist echt eine leckere Sache!

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Vielleicht seh ich hier deshalb so glücklich aus.

Noch kurz ein Detail, das meine Familie erstaunen wird: Neben dem Salat gab es Fisch. Frittiert und ohne Kopf, aber mit Schwanz. Wahrscheinlich liegt es am urlaubsbedingt anderen Essverhalten, anders kann ich mir nicht erklären, warum ich sowas essen konnte (und es mir sogar geschmeckt hat).

Ach ja, gepokert haben wir später auch noch. Die sagen, ich hätte einen Straight Flush gehabt. Ist das was Gutes? ;-D

Donnerstag (a.k.a. Perşembe)

Nach einem beeindruckenden türkischen Frühstück, zu dessen Herstellung wir keinen Finger rühren durften, fragten wir vorisichtig nach, was man heute so vorhabe und ob man sich das Städtchen mal ansehen dürfe. "It is no problem, we go together." Die Worte "No problem" haben wir übrigens öfter gehört.. Jedenfalls sind wir dann irgendwann auch aufgebrochen zu unserem kleinen Spaziergang. Und "klein" war er wirklich, schließlich konnten wir keine 100 Schritte gehen, ohne im nächsten Teegarten eine Pause machen und irgendwas trinken zu müssen. Das Argument, man habe doch gerade gefrühstückt und dabei reichlich Tee zu sich genommen, zählte dabei nur bedingt. Was sich nun anhört wie Jammern auf hohem Niveau, ist doch insofern angemessen, als wir den uns dargebotenen Komfort doch mit einem Stück unserer Freiheit erkauften. Entschädigt wurden wir hiermit:

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Besonders letzteren (welcher bloß eine andere Blickrichtung von vorletzterem darstellt) Anblick ließen wir besonders intensiv auf uns einwirken. Zumindest so lange, bis wir von unserem Begleiter, hier links im Bild:

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...wieder aufgescheucht und zu weiterem Teekonsum gezwungen wurden. "Do you want to take a picture?" kam als Frage übrigens gleich hinter "Do you want to drink tea?" und "Do you want to eat something?". Hier noch einige der Ergebnisse:

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Ich nenne es: "Frau mit unpraktischer Frisur".

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Abends waren wir übrigens ähnlich aktiv: Nachdem wir mit Essen, Tee und zuletzt Bier reichlich versorgt waren, begann der erste türkische Fernsehabend meines Lebens. Mein erster Eindruck: Türkische Fernsehwerbung ist noch enervierender als deutsche und türkische wöchentliche Kultserien so schlecht wie deutsche Daily Soaps. Darüber hinaus kam ich in den zweifelhaften Genuss, der Übertragung eines Fußballspiels folgen zu dürfen. Türkei gegen..ääähh..irgendwas europäisches. Oder Möchtegern-europäisches. Ach was weiß ich denn? Jedenfalls wurde es noch ein laaanger Abend, da wir erst versucht haben, "Smoking Aces" zu gucken, dann war aber auf der Hälfte die DVD kaputt. Also haben wir "Seven" gesehen. Andere Filme standen nicht zur Auswahl, da sich der Rest der laut Serdars Angaben beachtlichen DVD-Sammlung "auf dem Schiff" befindet, was meiner Ansicht nach viel über die Arbeitsmoral unserer Gastgeber oder der von Marineangehörigen im Allgemeinen aussagt.

Freitag

Ziemlich unverschämt ließen wir heute unsere so überaus aufmerksamen Gastgeber schlafen und machten uns ganz alleine auf den Weg. Schließlich hatten wir noch andere Vereher: Als wir nämlich am Donnerstag gerade dabei waren, Amasras klitzekleines Archäologisches Museum zu besichtigen (und auch vorher und nachher; in der relativen Stille des Museums ist es mir nur noch mehr aufgefallen), klingelte mein Handy ungefähr im Abstand von 3 Minuten. Da es das sonst eher nicht tut (im Normalfall klingelt mein Handy im Abstand von 3 Wochen), war ich ganz furchtbar genervt. Zumal ich mir mittlerweile nicht mal mehr die Namen unserer ganzen "Freunde" merken konnte. Ein besonders aufdringlicher Kontaktsuchender hatte es jedenfalls geschafft, uns zu einem Treffen zu überreden. So geschah es denn, dass wir uns mit Gülserin und Mustafa Ahmed (oder Ahmed Mustafa?) auf einen Tee trafen und - nachdem wir uns gegenseitig von unserer Ungefährlichkeit überzeugt hatten - in ihren schicken kleien Corsa einstiegen. Man brachte uns nach Çeştepe, einem winzigen Kuhdorf (bisschen wie zu Hause) irgendwo in den Bergen, wo man sich bei einer befreundeten Familie angemeldet hatte. In deren Haus, das zum Hauptteil aus einem einzigen riesigen Wohnzimmer zu bestehen schien, fuhr man unter den Augen der überaus interessierten und wohlwollenden Großfamilie (Opa, Mama, Papa, Kinder, Tanten, Cousins, etc.) ein opulentes Bayram-Menü vor uns auf:

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Welch ein Glück, dass wir nicht gefrühstückt hatten! So konnten wir alle richtig glücklich machen, indem wir besonders viel in uns hineinstopften. Merke: Iss niemals deinen Teller ganz leer, wenn du nicht einen weiteren Fleischberg haben möchtest (den man in diesem Fall bekommt). Nach dem abschließenden Familiengruppenfoto...

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...machten wir noch eine kleine Prozession durchs Dorf. Schnell scharte sich eine Menschentraube aus Dorfbewohnern um uns herum, die zumindest so taten, als hätten sie noch nie einen Ausländer gesehen. Wie im Zoo... Mustafa Ahmed (oder Ahmed Mustafa) war übrigens Pressefotograf und machte in dieser Eigenschaft immer wieder Fotos mit uns im Vordergrund. So entstand unter anderem auch dieses Foto, auf dem ich den Blick auf die wunderschöne hügelige Landschaft versperre:

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Die größte Sorge unserer zwei Reiseveranstalter bestand übrigens darin, dass wir uns langweilen könnten (obwohl wir diese Möglichkeit strikt verneinten). Deshalb mussten wir schnell-schnell wieder ins Auto steigen und zum nächsten Hightlight fahren - einem kleinen Örtchen am Strand mit einem netten Sandstrand. Auch dort durfte ich keine Fotos machen, auf denen wir nicht debil in die Kamera grinsen:

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Warum schließlich die Landschaft für sich sprechen lassen? Man muss ja später auch beweisen können, dass man da war. Oder hatte Mustafa Abdul (oder Ahmed?) einen anderen Grund für seine beständige Fotografiererei?! Aber dazu später mehr...

Zunächst mal wurden wir nach Bartın, der Provinzhauptstadt, chauffiert und erneut zum Verzehr von Tee und fett-/ zuckerhaltigen Lebensmitteln gezwungen. Nachdem auch dieser Programmpunkt erledigt war, ging es über die Hügel wieder zurück nach Amasra, nicht ohne Foto-Zwischenstopp (es gab schließlich einen Sonnenuntergang):

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Obwohl man ihnen anmerkte, dass sie langsam dann auch mal nach Hause wollten (und wir sie auch gar nicht daran hindern wollten), ließen unsere beiden Reiseführer es sich nicht nehmen, uns noch zu Amasrasalat und frittiertem Fisch (diesmal mit Kopf) einzuladen. Dankbar und satt verabschiedete man sich, sprach Gegeneinladungen aus und ging endlich seiner Wege. Unseren sturmfreien Abend (Serdar und Kazim mussten "on duty") verbrachten wir mit Tavlaspielen, Biertrinken und früh-ins-Bett-gehen.

Samstag

Ausgeruht wie wir waren, standen wir gegen 10 Uhr auf und fanden unsere Gastgeber schlafend in ihren Betten vor. Da wir eigene Pläne hatten, schlichen wir uns erneut aus dem Haus und machten eine Touristenrundfahrt um Amasra herum. Dabei kamen wir endlich nah genug an die "Kanincheninsel" heran, um ernsthaft nach Kaninchen suchen zu können. Wir entdeckten eines, das ich in Anlehnung an eine befreundete Bloggerin mit ebenso moderner Technik sichtbar gemacht habe:

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Bewegt hat sich das kleine Pelztier nicht wirklich, womit es sich dabei auch um ein ausgestopftes Kaninchen gehandelt haben könnte, das da zur Touristenbelustigung sitzt.

Derweil wir noch auf dem Boot waren, wurden wir von Gülserin angeschrieben, die aus mysteriösen Gründen unsere vollen Namen haben wollte. Doch nicht etwa für eine Bildunterschrift?! In einem Artikel mit dem Titel "Deutsche Touristen haben viel Spaß bei uns"? Das Tollste hab ich ja noch gar nicht erzählt: Man fragte uns nämlich, ob wir bereit wären, uns vor dem Grab von Bariş Akarsu, Rocksänger aus Amasra, Gewinner des türkischen "Oriental Star" und bei einem Autounfall gestorben, fotografieren zu lassen. Die Entscheidung fiel uns nicht schwer. NEIN!

Das ist er übrigens:
http://www.radyo1.fm/images/linkler/174351baris_akarsu.jpg

Nach unserer Rückkehr befanden sich unsere beiden Marinehelden immer noch im Bett, so dass wir die Zubereitung von "Frühstück" in Angriff nahmen. Wir haben dann nicht mehr viel getan, außer uns Rückfahrtickets zu besorgen und endlich Teile unseres Uni-Krams zu lesen und abends fernzusehen und Karten zu spielen. Nachts waren Serdar, Indie, Buffy und ich dann noch mal spazieren, im strömenden Regen, der mittlerweile die Wetterlage beherrschte.

Sonntag

Spät, wie ich aufgestanden war, blieb uns nicht mehr viel Zeit zum Frühstücken und für die Übergabe unseres bescheidenen Gastgeschenkes (Süßes und ein neuer Würfel für ihr unvollständiges Tavlaspiel), denn wir mussten uns schon aufmachen zum Dolmuş nach Bartın (das wir erstaunlicherweise selbst bezahlen durften). Unsere Dankbarkeit in Worte zu fassen viel uns reichlich schwer, aber man erwartete auch keine überschwenglichen Dankesreden von uns.... Auf Wiedersehen, schönstes, kleinstes, bezauberndstes Amasra!

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Nach einer wiederum sehr komfortablen Rückfahrt kamen wir gegen 11 in Ankara an und um 12 zu Hause an. Nicht ohne uns einen Vorrat an Bier und auch Rakı zugelegt zu haben, den wir zwischen 2 und 7 Uhr morgens gemeinsam mit Hannes vertilgten, der aus Fremdfamilienurlaub in Trabzon zurück war und sich ein Besäufnis wünschte. Was wären wir für Menschen, ihm diesen Wunsch abzuschlagen?

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Ja, ist das denn da nicht schrecklich bei den Moslems? :o
Behandeln die dich denn da nicht schlecht?

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